Wie schwer ist das Medizinstudium wirklich?
Nach wie vor ist das Medizinstudium eines der heiß begehrtesten überhaupt: Über 40.000 Abiturienten bewerben sich jedes Jahr auf knapp 11.000 Studienplätze. Wir haben mit Amelie, einer Medizinstudentin im 4. Semester gesprochen.
abgehn! : Warum hast du dich für ein Medizinstudium entschieden? Welche Faktoren waren für dich entscheidend?
Amelie: Die Faszination, des menschlichen Körpers. Für mich ist das das Interessanteste überhaupt. Mein Beruf sollte einen Unterschied machen. Nicht, dass andere Berufe keinen Unterschied machen, aber für mich persönlich erscheint die ärztliche Tätigkeit sehr erfüllend und sinngebend. Finanzielle Gründe hingegen haben bei der Wahl meines Studiums keine Rolle gespielt.
abgehn! : Was sind die Voraussetzungen?
Amelie: Das ist von Uni zu Uni unterschiedlich. Abitur ist sehr wichtig und der TMS, ein Test für medizinische Studiengänge, den kann man nur einmal machen. Ausbildungen werden leider oft nicht so stark gewertet, Wartesemester wurden abgeschafft. Besonders empfehlenswert ist es, vor dem Studium das Pflegepraktikum zu absolvieren. So weiß man, auf was man sich einlässt und das Praktikum muss nicht auch noch in den Semesterferien gemacht werden.
abgehn! : Wie läuft das Studium ab, nur trockene Theorie oder auch spannende Praxis?
Amelie: Sehr unterschiedlich. In Aachen ist es zum Beispiel die Lernspirale (bestimmte Lernmethode, bei der Themen im Laufe des Studiums mehrfach und mit zunehmender Komplexität behandelt werden). Es gibt aber auch einen Modellstudiengang mit Praktikumsverknüpfung.
abgehn! : Wie war das Praktikum? Wie waren die Arbeitszeiten?
Amelie: Generell arbeitet man im Schichtdienst, bedeutet, es gibt die Frühschicht, die Mittelschicht und die Spätschicht. Arbeitszeiten waren dann von 6 – 14.15 Uhr, von 14 – 22.15 Uhr und von 7.45 – 16 Uhr oder von 12-20 Uhr. Im Praktikum übernimmt man keinen Nachtdienst.
Es gab immer sehr viel Arbeit, jedoch habe ich viel Lebenserfahrung gesammelt und viel Umgang mit Patienten gehabt. Zudem hat man erfahren, wie es Menschen im Krankenhaus wirklich ergeht und konnte einen Eindruck von der leider noch sehr präsenten Krankenhaushierarchie bekommen.
abgehn! : Was würdest du bisher als bestes Erlebnis im Studium beurteilen?
Amelie: Die nachgeholte Erstifahrt war ein sehr schönes Erlebnis. Ich bin auch sehr froh, dass sie trotz Corona stattgefunden hat. Fachbezogen empfand ich das Doppler-Sonographie-Praktikum und den Präparier-Kurs als Highlight in meinem aktuellen Semester. Das waren erste praktische Erfahrungen mit der Ultraschalluntersuchung und der erste Kontakt zu Körperspendern, um die Anatomie besser nachvollziehen zu können.
Merkbox : (Die Dopplersonographie ist ein Ultraschallverfahren, mit dem Blutflüsse im Herz oder in den Gefäßen sichtbar gemacht werden (Farbdoppler) oder die Flussgeschwindigkeiten in Gefäßen untersucht werden können (Spektraldoppler))
abgehn! : Was möchtest du damit eines Tages anfangen?
Amelie: Weiß ich noch nicht. Es gibt viele verschiedene Fachgebiete. Diese muss ich erstmal alle kennenlernen. Und dann möchte ich noch herausfinden wo meine Talente liegen, da sich die Arbeitsweise in den Fachgebieten doch sehr unterscheidet z.B. in der Chirurgie, als Kinderarzt oder in der Forschung.
abgehn! : Kannst du das Studium weiterempfehlen?
Amelie: Ich würde es nur denen empfehlen, die es wirklich mit voller Entschlossenheit wollen, weil die eigene Motivation wirklich essenziell ist, um so viel Zeit in das Studium zu investieren.
abgehn! : Ist es so schwer wie alle denken?
Amelie: Intelligenz ist nicht das entscheidende, sondern Durchhaltevermögen, Konzentration oder wie bereits erwähnt Entschlossenheit. Das schwierigste bis jetzt ist die Zeit, die man sich selbst SEHR gut einteilen muss.
abgehn! : Inwiefern schränkt dich Corona ein, im Studium als auch in der Praxisphase?
Amelie: Wie bei allen Studiengängen sind die Vorlesungen online, was jedoch sehr gut funktioniert. Praktika sind bei mir z.B. in den ersten beiden Semestern ausgefallen oder haben online stattgefunden, was nicht so wirklich das Wahre ist. Den größten Einfluss hat Corona aber auf die sozialen Kontakte, was vor allem das erste Semester schwieriger gemacht hat. Aber mittlerweile sind alle gut vernetzt, denn alleine ist das Studium quasi nicht machbar. Lerngruppen sind sehr wichtig, um sich gegenseitig zu motivieren.
abgehn! : Wie lange dauert das Studium?
Amelie: Das Studium dauert ca. 6 Jahre bis das letzte Staatsexamen stattfindet (M3), die meisten machen jedoch länger, um mehr Zeit für ihre Doktorarbeit zu haben. Das ist allerdings eine freiwillige Entscheidung und nicht zwingend notwendig.
abgehn! : Welche Kosten kommen während des Studiums auf dich zu?
Amelie: Das kommt darauf an, in welcher Stadt man studiert, da die Miete stark variiert. Wenn man aber von ca. 600- 800 Euro monatlichen Ausgaben ausgeht und bis das Studium schlussendlich fertig ist (ca. 75 Monate), kommt man auf 45.000 – 60.000 Euro. Die Ausgaben im Studium an sich sind jedoch überschaubar. Bücher hingegen kosten dann schon mal bis zu 200€.
abgehn! : Hat Greys Anatomy eine Rolle bei der Studienwahl gespielt?
Amelie: Eher nicht, Greys Anatomy hat mich eher nochmal zum Nachdenken gebracht bezogen auf die Verantwortung, Zeitaufwand und Arbeitsbedingungen, die man hat. Jedoch spiegelt die Serie nicht wirklich die Realität wieder.